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Von der Kunst des Gesundseins

Von der Kunst des Gesundseins 

Wer kennt es nicht? Immer wenn Gesundheit fehlt und Krankheit dominiert, wünschen wir uns die Gesundheit sehnlichst zurück. 

Erfahren wir Krankheit, rücken viele Dinge im Leben in den Hintergrund, weil uns schlagartig wieder bewusst wird, welchen Wert die Gegenseite hat. Damit es nicht nur die Abwesenheit von Krankheit gemeint. 

Wie wird Gesundheit definiert?

Die wohl bekannteste Definition liefert die WHO (Weltgesundheitsorganisation): „Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ 

Neben dieser Darlegung existieren unzählige andere Ausführungen. Im Kern ist die Definition der WHO gut gelungen, liefert sie doch Spielraum in alle Richtungen. 

Neben der allgemein gültigen Definition, versteht jeder Mensch für sich Gesundheit anders. Der Begriff und Wert Gesundheit ist ein relativ absoluter Wert. Es gibt keine einheitliche Skala, wie etwa ein Maßband, an dem Gesundheit messbar ist. Das Konzept von Gesundheit und Krankheit existiert gleichzeitig ohne eine vereinheitlichte Skalierung. Sie liegt immer im Auge des Betrachters und hat demnach mit Wahrnehmung zu tun. 

Wie fühlt sich Gesundheit an?

In der Praxis habe ich noch nie jemanden erlebt, der objektiv 100 prozentig gesund ist. Das Konzept einer normierten Gesundheit orientiert sich an einem perfekten Zustand, der niemals erreicht werden kann. Aus diesem Grund ist es auch möglich, sich trotz objektiv vorhandener Symptome gesund zu fühlen. 

Es kommt ganz auf die eigene Perspektive an. Die Frage, die sich jeder in Bezug auf die eigene Gesundheit stellen sollte, lautet: Welchen Dingen gebe ich mehr Raum in meinem Leben? Den Dingen, die mir guttun, oder denen die mich schwächen und Krankheit fördern? 

Wie Schmerz mit Gesundheit verbunden ist

Gerät unsere Gesundheit aus dem Gleichgewicht, wie durch einen gebrochenen Arm, dann ist klar – wir suchen schnellstmöglich das nächste Krankenhaus auf. Es ist ein offensichtliches Problem, das fachmännisch versorgt werden sollte. Der Arm wird eingegipst und nach spätestens 6-8 Wochen hat ihn der Körper geheilt. 

Aber was ist mit den anderen gesundheitlichen Problemen, die nicht so „laut“ auf sich aufmerksam machen, sondern teilweise subtile Wegbegleiter sind? Wie gehen wir mit Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen um? Das ist sicherlich Ansichtssache und unterschiedlich zu beantworten. Eine naheliegende Lösung ist die Bekämpfung mit Medikamenten, wie beispielsweise Schmerztabletten. Damit bekämpfen wir den Schmerz als ein Symptom. Wir begegnen der Krankheit nicht mit Akzeptanz und ignorieren womöglich unsere „innere Stimme“.

adam niescioruk hWzrJsS8gwI unsplash

Osteopathie versteht Schmerz und Krankheit nicht als Feind

Um den Überblick zu behalten, stellen wir uns in der Praxis der Osteopathie immer die Frage, warum der Schmerz als Teil körperlichen Ausdrucks überhaupt erst vorhanden ist. 

Ist Schmerz nicht ein Teil des Gesundseins? Weist er doch auf verdeckte Probleme im gesunden Körper hin. Schmerz ist eine Art Sprachrohr des Körpers. Schmerz unterrichtet uns (unser Bewusstsein) darüber, dass irgendetwas nicht optimal verläuft. 

Zugegeben: Schmerzmittel sind bei bestimmten Beschwerden nicht mit Gold aufzuwiegen. Dennoch sollten wir immer abwägen, wann wir auf sie zurückgreifen. Machen wir unseren Körper doch „mundtot“, wenn wir den schmerzhaften Schrei über eine lange Zeit ignorieren. 

Krankheit akzeptieren, Handlungsfreiheit erhalten

Dieter Lange, Trainer und Coach, sagte einst in einem seiner Vorträge „Der Weg aus der Angst führt durch die Angst.“. Dieser Weg funktioniert auch in Bezug auf Krankheit. Um einen Krankheitszustand dauerhaft und nachhaltig zu verlassen, müssen wir ihn zuerst als solchen erkennen und akzeptieren. 

Am Anfang des Weges steht also die Akzeptanz, was so viel bedeutet wie die Annahme oder die Hinnahme des Zustandes. Dies ermöglicht uns, sie bewusst loszulassen, indem wir krankmachende Faktoren reduzieren und stärkende Rituale in unser Leben einbauen. Die Akzeptanz kreiert einen Raum der Handlungsfreiheit, in dem wir Probleme aktiv managen können. Dabei entscheiden wir uns bewusst für oder gegen bestimmte Faktoren, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die wiederum Wirkung auf unser Wohlbefinden haben. 

Der Weg aus einer Krankheit führt also durch sie. Krankheit sollte nicht als Feind betrachtet werden. Dieses Paradigma ist vermutlich sehr schwierig anzunehmen – in einer Welt voller Polaritäten, in der es scheinbar gegen jedes Leid ein Gegenmittel gibt. 

Der wahrhaftige Wandel beginnt immer in uns selbst – und dieser bringt uns zurück zum sein. Wollen wir Gesundheit haben, so müssen wir sie zuerst mental spüren, um sie in der Realität zu manifestieren. Zugegeben: Schmerzmittel sind bei bestimmten Beschwerden nicht mit Gold aufzuwiegen. Dennoch sollten wir immer abwägen, wann wir auf sie zurückgreifen. Machen wir unseren Körper doch „mundtot“, wenn wir den schmerzhaften Schrei über eine lange Zeit ignorieren.

Wie kann ich gesund bleiben/werden?

Gesundheit ist also mehr ein Weg, als weniger ein Ziel, das absolut erreicht wird. 

Dieser dynamische Prozess findet in jeder Sekunde des Lebens statt. Während wir schlafen, arbeiten, Sport treiben oder im Kino sitzen. Unser Körper ist ständig damit beschäftigt einen Komplex von unendlich vielen Vorgängen gleichzeitig zu regulieren und synchronisieren, damit es uns gut geht. 

Ist es für Hypochonder ein Wunder, dass diese unfassbare Komplexität zumeist „unfallfrei“ abläuft, vertraue ich als Osteopath genau in diese nicht fassbare Kraft, die jedem Menschen innewohnt. 

Mein Dank gilt der Natur und dieser besagten inneren Kraft, der Selbstheilungskraft, die bei der Genesung den größten Teil der Arbeit übernimmt. Sie ist die Ursache dafür, dass die komplexen Abläufe im Körper mit einer geringen Fehlertoleranz ablaufen.

Kann Osteopathie heilen?

Gegenüber uns OsteopathInnen äußern PatientInnen gelegentlich den Wunsch: „Drücken sie irgendwo drauf und machen mich heil.“ Dies ist ein Behandlungsansatz bzw. Gesundheitsverständnis, welches so nicht nachhaltig funktioniert – und nie funktionieren kann, weil die Verantwortung für die eigene Gesundheit immer bei uns selbst liegt. Osteopathie ohne Eigenverantwortung ist genauso gut, wie eine Schmerztablette, wenn nichts an der Ursache geändert wird. 

Daher wäre es als OsteopathIn nahezu anmaßend zu sagen, dass wir unsere PatientInnen gesund machen und heilen. Osteopathie verhilft der Gesundheit vielmehr dabei auf den rechten Weg zu kommen. Dies geschieht immer in Zusammenarbeit mit der Selbstheilungskraft des Körpers. 

Für sich selbst findet man einen Weg darin, der „inneren Stimme“ zu folgen und zu beobachten, was die Ursache für das Entstehen des Problems ist. Der Weg zur OsteopathIn kann sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, die „innere Stimme“ wahrzunehmen und Selbstheilungskräfte aktiv zu unterstützen. Osteopathie hilft die persönliche Gesundheit zu fördern und zum gesund sein beizutragen. 

Ein Appell an die Wertschätzung und das Verantwortungsbewusstsein für die eigene Gesundheit 

So wundervoll die Natur unseren Körper eingerichtet hat, sollten wir diesem natürlichen Selbstheilungsprozess mit entsprechender Wertschätzung und Verantwortungsbewusstsein gegenübertreten. 

Ist es nicht verrückt, dass wir trotz tausender Verletzungen, die wir über ein Leben verteilt erfahren oder der schier unfassbaren Menge an Keimen und Viren, denen wir ausgesetzt sind, trotzdem in den meisten Fällen ein erfülltes und langes Leben genießen dürfen? 

Müssten wir uns um jedes Problem bewusst kümmern, hätten wir für nichts anderes mehr Zeit! Für diese unsichtbare Kraft sollten wir Verantwortung übernehmen. Gesund zu sein bedeutet somit auch verantwortlich zu sein, für sich selbst und den Körper, in dem wir eine begrenzte Zeit leben dürfen. 

Die Kunst des Gesundseins, die einen fragilen und „dynamischen Zustand“ (klingt in sich schon paradox) beschreibt, ist in erster Linie durch eigene Verantwortung zu lösen. Damit meine ich, gut für sich selbst zu sorgen und die Verantwortung für sich selbst anzuerkennen.

Wenn nicht wir selbst gut für uns sorgen, wer soll es denn sonst tun? 

 

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